Sitzung: 16.11.2020 Rat der Gemeinde Göhrde
Beschluss: Kenntnis genommen
Abstimmung: Ja: 9
Vorlage: 22/0378/2020
Herr Maatsch
erläutert den Sachverhalt. Die Gemeinde Göhrde verfügt über eine Satzung zur
Erhebung einmaliger Straßenausbaubeiträge (SABS).
Die bestehende
Satzung wurde am 28.09.1988 beschlossen und ist inzwischen veraltet, d.h. sie
entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung. Sie
stellt insofern für eine möglicherweise vorzunehmende Abrechnung einer
Straßenausbaumaßnahme keine verlässliche Rechtsgrundlage dar, weil darauf
gestützte Bescheide mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner gerichtlichen Prüfung
standhalten würden.
Von der Verwaltung
wird insofern der Beschluss einer Neufassung empfohlen.
Da es sich um eine
freiwillige Satzung handelt, besteht auch die Möglichkeit, dieser aßer Kraft zu
setzen.
Spätestens wenn ein
Straßenausbau ansteht, wird eine Entscheidung bezüglich der veralteten Satzung
nötig. Sollte eine Aufhebung der Satzung ins Auge gefasst werden, wäre zu
bedenken, dass ggf. dann Beitragseinnahmen zur Investitionsfinanzierung
ausfallen. Auch Kreditmittel werden bei nicht bestehender SABS von der
Kommunalaufsicht nicht bewilligt werden können, weil die Erhebung spezieller
Entgelte -wie z.B. Beiträge- gegenüber Krediten vorrangig ist (§ 111 Abs. 6
NKomVG). Zur teilweisen Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen durch einmalige
Straßenausbaubeiträge besteht deswegen nach Auffassung der Verwaltung keine
sinnvolle Alternative.
Ab 1.4.2017 ist
durch das Nds. Kommunalabgabengesetz die Möglichkeit zur Erhebung
wiederkehrender Ausbaubeiträge eingeführt worden. Mit der Einführung des
wiederkehrenden SAB soll eine breitere Verteilung der Umlagezahlungen durch die
Ausweisung von erweiterten Abrechnungsgebieten erreicht werden. Diese Variante
ist aber mit erheblichen Rechtsunsicherheiten bezüglich der Gebietsabgrenzungen
behaftet – sh. Anlage2. Weiterhin werden Anspruchshaltungen und fehlender
Maßnahmenbezug zu verzeichnen sein, da die direkte Vorteilssituation des
Anliegers zur nächstgelegenen Straße verlorengeht. Schließlich ist diese
Beitragsart sehr verwaltungsintensiv, einmal bei der Einführung (u.a.
Erhebung/Aktuellhaltung sämtlicher Grundstücksdaten) aber auch wegen regelmäßig
notwendiger Kalkulationen und Zahlungsanforderungen. Mit Kosten für erhöhten
Personalaufwand ist somit zu rechnen.
Bereits am
20.8.2018 hat die Verwaltung eine interkommunale Informationsveranstaltung für
Ratsmitglieder mit dem Fachanwalt Dr. von Waldthausen als Referenten
durchgeführt. Bei dieser Veranstaltung wurden die beiden verschiedenen
Beitragssysteme eingehend erläutert und auch die alternative Finanzierung über
die Anhebung der Grundsteuerhebesätze angesprochen.
Als Ergebnis der
damaligen Informationsveranstaltung ist nach Auffassung der Verwaltung
festzustellen, dass gute Gründe für die Beibehaltung des einmaligen
Straßenausbaubeitrages zur Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen sprechen.
Die Variante des
völligen Verzichts auf einmalige oder wiederkehrende SAB und der alternativen
Finanzierung über die Grundsteuer ist nach Auffassung der Verwaltung keine
realistische und gangbare Option. Hierbei ginge jeglicher Bezug der Anlieger zu
der jeweiligen Anliegerstraße verloren. Das im Abgabewesen vorherrschende und
bestimmende Abhängigkeitsprinzip von Leistung und zurechenbarer Gegenleistung
(Äquivalenz) wäre völlig ausgehebelt. Über die Umlagefähigkeit der Grundsteuer
würden auch Mieter mit anteiligen Straßenbauinvestitionen belastet. Außerdem
würde die Abhängigkeitsspirale
zwischen
Steueraufkommen und kommunalen Umlagezahlungen weiter angefacht.
Mit Gesetz vom
24.10.2019 erfolgten weitere NKAG-Änderungen, hauptsächlich zum einmaligen
Straßenausbaubeitrag (neuer § 6 b).
Diese zuletzt
erfolgte Gesetzesänderung (neuer § 6 b) beinhaltet die
a) Möglichkeit zur Beschränkung des
beitragspflichtigen Aufwandes;
b) Ermächtigung zur erweiterten
Zuschussanrechnung;
c) Ermächtigung zur Einführung von
Tiefenbegrenzungen und Eckgrundstücksvergünstigungen;
d) Einführung von weitgehenden
Zahlungserleichterungen – Verrentung bis zu 20 Jahren.
Zu a): Hier ist
nicht die prozentuale Aufteilung zwischen Anlieger- und Gemeindeanteil angesprochen,
dieses Verhältnis wird unverändert je Straßenkategorie nach den
Nutzungsbedingungen der Straße im Einzelfall bestimmt.
Die neue
Ermächtigung gestattet eine kostenmäßige Reduzierung des Gesamtaufwandes
vor Aufteilung der beitragsfähigen Maßnahmekosten. Dies geschieht, indem ein
prozentualer Wert des Kostenanteils entweder generell in die SABS aufgenommen
oder per Sondersatzung je Einzelmaßnahme bestimmt wird. Derartige Reduzierungen
gehen zulasten des Gemeindehaushalts, da sie die Umlagezahlungen der Anlieger
verringern.
Zu b): In § 6 Abs.
5 Satz 5 NKAG ist geregelt, dass grundsätzlich Zuschüsse zunächst auf den
Gemeindeanteil der Maßnahmekosten anzurechnen sind, sofern der Zuschussgeber
nicht ausdrücklich anderweitige
Verwendungsmaßgaben trifft.
Die Neureglung
erlaubt, dass künftig durch Satzung vom zwingenden Anrechnungsvorrang auf den
Gemeindeanteil abgewichen werden kann. Die Reduzierung der Anliegerkosten
verursacht zwangsläufig höhere Eigenanteile der Kommune.
Zu c): Diese
Neuregelung hat nur redaktionellen Charakter.
Tiefenbegrenzungen
sind bereits in der SABS vorhanden und finden somit bereits Anwendung.
Vergünstigungen für Eckgrundstücke waren auch ohne gesetzliche Ermächtigung
bereits möglich, wurden aber von den meisten Gemeinden (auch Hitzacker) nicht
in die Satzung aufgenommen, weil die Minderungen anders als bei
Erschließungsbeiträgen von den Kommunen zu tragen sind. Beim
Erschließungsbeitrag werden die Minderungen durch die übrigen Anlieger
getragen. Die Einführung der Vergünstigung für Eckgrundstücke verursacht
zwangsläufig höheren Eigenanteil der Kommune.
Zu d): Mit der
Neuregelung wird den Kommunen das Ermessen eingeräumt, die Beitragszahlung in
maximal 20 Jahresraten ohne individuelle Solvenzprüfung zu gestatten. Die
Verzinsung mit 3% über dem Basiszinssatz liegt ebenfalls im Ermessen der
Kommune. Bei der Ermessensausübung sind einheitliche Maßstäbe anzuwenden, dies
bedeutet u.a., dass bei grundsätzlicher Ratenbewilligung eine Selbstbindung der
Verwaltung eintritt und Ablehnungen somit für einzelne Maßnahmen oder Personen
nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen können.
Ratenzahlungen in
Abhängigkeit von der persönlichen Zahlungsfähigkeit waren auch bisher möglich
und bleiben dies darüberhinaus auch weiter.
Auf Nachfrage von
Bgm Stegemann erläutert Herr Maatsch, dass die Erhebung von Beiträgen durch die
Samtgemeinde für Gemeindeverbindungsstraßen theoretisch durchaus möglich ist,
die Samtgemeinde aber keine entsprechende Beitragssatzung erlassen hat, weil
die zulässige Anliegerbeteiligung äußerst gering wäre.
In einigen
Bundesländern wurden die Rechtsgrundlagen zur Erhebung von
Straßenausbaubeiträgen (SAB) in den Landes-KAG komplett aufgehoben – z.B. Berlin,
Bayern, Brandenburg. In diesen Ländern ergibt sich nach dem Konnexitätsprinzip
eine Ausgleichspflicht der Länder für die ausfallenden Finanzmittel, wobei
fraglich ist, ob die Ermittlungsmethoden und deren tatsächliche Anwendung die
Ausfälle realitätsnah und angemessen kompensieren können.
Um die finanzielle
Leistungsfähigkeit der Gemeinde Göhrde nicht zu gefährden, empfiehlt die
Verwaltung, die Satzung über die Erhebung einmaliger Straßenausbaubeiträge
(SABS) zwecks Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen beizubehalten.
Auf Nachfrage von
Rh Scherlies zu den wiederkehrenden Beiträgen erklärt Herr Maatsch, dass bei
einem Straßenausbau vor dem Grundstück ein einmaliger Beitrag entsteht. Bei
wiederkehrenden Beiträgen werden Abrechnungsgebiete gebildet und für die
Berechnung zugrundegelegt.
Es entsteht eine
kurze Aussprache hinsichtlich der Behandlung der unterschiedlichen Straßen bei
der Berechnung von Straßenausbaubeiträgen.
Auf Nachfrage von
Rh Mellmann erläutert Herr Maatsch, dass derzeit kein Handlungsbedarf besteht
und dies lediglich der Information dient. Sollte zukünftig eine
Straßenausbaumaßnahme anstehen, ist darüber zu entscheiden, ob die Satzung
nachgebessert oder abgeschafft wird.
Nach Aussprache
nimmt der Rat der Gemeinde Göhrde die Ausführungen zur Kenntnis.