Sitzung: 29.11.2018 Umwelt- und Bauausschuss des Rates der Stadt Dannenberg (Elbe)
Beschluss: Geändert empfohlen
Abstimmung: Ja: 7
Vorlage: 22/0443/2018
Sachverhalt:
a) Erschließungsbeiträge
Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ist durch § 127 Abs. 1 Baugesetzbuch
zwingend vorgeschrieben. Ein Verzicht auf die Erhebung von
Erschließungsbeiträgen ist nicht möglich, weil sie eine sogenannte
Pflichtabgabe darstellen.
b) Straßenausbaubeiträge
Es besteht nach niedersächsischem Landesrecht keine Erhebungspflicht. Die
Entscheidung, ob Beitragssatzungen erlassen werden, sowohl über einmalige als
auch wiederkehrende Beiträge, liegt optional im Ermessen der Gemeinden.
Zurzeit findet eine Diskussion statt über die Möglichkeiten der Refinanzierung
der Straßenausbaukosten für gemeindliche Straßen. U.a. zahlreiche
Bürgerinitiativen fordern die Abschaffung der einmaligen Straßenausbaubeiträge
und die ersatzweise Finanzierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln, insbesondere
dem Steueraufkommen.
Zur Information über das Für und Wider der einzelnen Finanzierungsmöglichkeiten
hat die Samtgemeinde am 20.8.2018 eine Informationsveranstaltung zu diesem
Thema für die kommunalen Entscheidungsträger sämtlicher Mitgliedsgemeinden
organisiert. Aus dem Vortrag des Referenten Dr. v. Waldthausen über die
wesentlichen Finanzierungsoptionen a) einmalige Beiträge,
b) wiederkehrende Beiträge, c) Steuerfinanzierung, konnten wertvolle
Informationen und Erkenntnisse gewonnen werden. Die Präsentationsunterlagen des
Vortrags sind allen Ratsmitgliedern zur Verfügung gestellt worden.
Aus Sicht der Verwaltung
ist die Beibehaltung der einmaligen Beiträge aus sachlichen und finanziellen
Gründen zu präferieren.
Durch die Beitragserhebung werden gerade die Grundstückseigentümer
belastet, deren Grundstücke –wegen ihrer räumlichen Nähe zur ausgebauten
Straße- in besonderer Weise von der Inanspruchnahmemöglichkeit dieser
Verkehrsanlage abhängig sind und davon profitieren. Diesen Eigentümern –und nur
ihnen- gewährt die Rechtsordnung in Gestalt der einschlägigen Straßengesetze
einen sog. Anliegergebrauch an dieser Straße, zur angemessenen Nutzung des
Grundeigentums oder zur Ausübung bzw. Fortführung eines Gewerbebetriebs.
Dadurch ist ein spezifisches Verhältnis zwischen den Grundeigentümern und
‚ihrer‘ Straße begründet, das sie aus dem Kreis der Allgemeinheit hervorhebt.
Dies rechtfertigt es, gerade sie an den Kosten für den Ausbau ‚ihrer‘ Straße zu
beteiligen.
Das System der Finanzierung von Straßenbaukosten basiert auf den
jeweiligen Nutzungsgegebenheiten. Insofern werden Kreis-, Landes- und
Bundesstraßen ausschließlich ohne Anliegerbeteiligung finanziert, weil hier
eine über den Allgemeingebrauch hinausgehende Nutzung durch Anlieger regelmäßig
nicht stattfindet. Im Unterschied dazu besteht eine solche eindeutige
Nutzungssituation bei Gemeindestraßen nicht, bei ihnen ist ein mehr oder minder
gewichtiger Anliegergebrauch feststellbar und auch gesetzlich verankert (sh.
oben). Diese Situation hat den Gesetzgeber schon seit Ende des 19. Jahrhunderts
(Preuss. KAG v. 1893) dazu veranlasst, die Finanzierung der gemeindlichen
Straßenbaukosten verursachergerecht zu regeln und nicht ausschließlich aus
allgemeinen Haushaltsmitteln. Das vielfach von Kritikern benutzte Argument der
Solidargemeinschaft ist sachlich unbegründet und widerspricht den gesetzlichen
Wertungen. Der Straßenausbaubeitrag ist lediglich eine Kostenbeteiligung, da
den Anliegern nur ein vorteilsbezogener (anteiliger) Beitrag je nach
Nutzungsgrad abverlangt wird. Den Nutzungsanteil des Allgemeinverkehrs trägt
die Gemeinde über ihren Kostenanteil.
Der Kritikpunkt, dass teilweise hohe Einzelbelastungen für Anlieger
anfallen, resultiert aus individuellen Gegebenheiten. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass die Umlageverteilung sich an nachvollziehbaren Kriterien
zu orientieren hat und hohen Umlageanteilen regelmäßig auch entsprechende
Immobilienwerte gegenüberstehen. Um hier die Härten aus hohen Einmalzahlungen abzumildern,
sind Gesetzesinitiativen zur ratenweisen, zinslosen Abgeltung zu beobachten.
Auch für Niedersachsen sind derartige Überlegungen zzt. in der Diskussion. Sh.
hierzu in der Anlage NST-Info-Beitrag Nr. 2.59 / 2018.
Durch eine Novelle des NKAG (§ 6b) wurde in Niedersachsen ab 1.4.2017 die
Möglichkeit zur Erhebung wiederkehrender Beiträge eingeführt. Der
Landesgesetzgeber verspricht sich durch die Einführung größerer
Abrechnungsgebiete eine breiter gefächerte Lastenverteilung und dadurch
sinkende Umlageanteile. Dies wird auch erreicht, allerdings auf Kosten des
unmittelbaren Bezugs zur Straßenbaumaßnahme. Hierdurch geht das unmittelbare
Gegenleistungsprinzip für eine besondere gemeindliche Leistung
(Gebrauchsvorteil) und damit die Abgabengerechtigkeit weitgehend verloren. Mit
der erheblichen Ausweitung des Umlagegebietes steigt analog die Zahl der
potenziellen Einwender.
Problematisch sind außerdem die hohen rechtlichen Anforderungen an die
Abgrenzung der Abrechnungsgebiete, der hohe jährliche Verwaltungsaufwand
bezüglich aktueller Grundstücksdaten, jährlicher Beitragskalkulation und
jährlichem Bescheidversand. Hinzu kommt, dass der wiederk. Beitrag bei
Mietobjekten über die Nebenkosten auf die Mieter abwälzbar ist und somit zu
einer Belastungsungleichheit auf der Eigentümerseite führt.
Beachtenswert ist auch, dass durch regelmäßig zu erbringende Zahlungen
wahrscheinlich ein Anspruchsdenken der Anlieger auf Maßnahmen an der jeweils
‚eigenen‘ Straße entstehen könnte.
=> Zur Info: Eine
Gesetzesinitiative der FDP-Fraktion im Nds. LT vom 16.1.2018 zur Abschaffung
der §§ 6 und 6b NKAG (einmalige und wiederk. Beiträge) wurde zur Beratung an
den Ausschuss für Inneres und Sport verwiesen. Nach erfolgter Anhörung der
Verbände hat der Ausschuss am 27.9.2018 beschlossen, das weitere Verfahren im
November 2018 festzulegen. Seitens der kommunalen Spitzenverbände wird das
Aufhebungsverlangen abgelehnt. Es ist fraglich, ob der FDP-Antrag eine Mehrheit
findet, da die Koalitionsfraktionen betonen, Gesetzesänderungen nur mit
Einverständnis der Spitzenverbände umzusetzen.
Im Falle der völligen Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen und Übergang zur
Finanzierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln u.a. Steuern, findet eine völlige
Abkehr von der Belastungsgerechtigkeit statt. Belastet würden weitgehend
Anlieger, die nicht Nutznießer von Straßenbaumaßnahmen sind.
Das Finanzierungsinstrument „Straßenausbaubeitrag“ wird getragen durch
die Grundsätze der Abgabengerechtigkeit und Steuersubsidiarität. Die
Beitragshöhe ist abhängig von den durch die (Möglichkeit der) Inanspruchnahme
der Verkehrsanlage vermittelten Gebrauchsvorteilen. Eine Finanzierung
beispielsweise durch Anhebung der Grundsteuer ist deswegen prinzipiell
abzulehnen. Die Grundsteuer steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem
Ausbau einer bestimmten Verkehrsanlage und dem Ausmaß ihrer Inanspruchnahme. Im
Stil einer ‚Rasenmähermethode‘ behandelt sie vielmehr insoweit alle Grundstücke
gleich, ohne bestimmte Ausbauverhältnisse einer Verkehrsanlage oder deren
grundstücksbezogene Inanspruchnahme zu berücksichtigen.
Außerdem fließen solche Steuer(mehr)einnahmen in den allgemeinen Haushalt; sie
sind –anders als Straßenausbaubeiträge- nicht zweckgebunden und kommen damit
nicht zwingend direkt dem Straßenausbau zugute.
Auf die Erhebung einmaliger Beiträge kann nach Ansicht der Verwaltung aus
Gründen der Abgabengerechtigkeit und gesicherter Finanzierbarkeit
straßenbaulicher Investitionen nicht verzichtet werden. Außerdem ist zu
erwarten, dass der Landesgesetzgeber in absehbarer Zeit die Härtefallregeln
bezüglich der einmaligen Straßenausbaubeiträge nach hessischem Vorbild anpasst
und die Möglichkeit langfristiger Ratenzahlungen einführt.
Herr Maatsch erläutert den Sachverhalt und ergänzt den
Beschlussvorschlag der Vorlage dahingehend, entweder gemäß dem
Beschlussvorschlag zu empfehlen oder den Punkt bis zur Entscheidung des
Landtages über die Änderung des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes
zurückzustellen.
Rh Herzog hält es für erforderlich, bei solch weitreichenden Entscheidungen
in Einzelfällen Härtefälle vorzusehen und angeraten zu prüfen, ob Baumaßnahmen
im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans oder aufgrund anderer städtebaulicher
Maßnahmen als Härtefälle vorgesehen werden können.
Nach Beendigung der anschließenden Aussprache empfiehlt der Ausschuss
folgenden
Beschluss:
a) Die anteilige Finanzierung von
Straßenausbaukosten durch einmalige Straßenausbaubeiträge wird beibehalten.
b) Es ist zu prüfen, ob in Einzelfällen
Härtefälle vorgesehen werden können und ob Baumaßnahmen im Rahmen des
Verkehrsentwicklungsplans oder aufgrund anderer städtebaulicher Maßnahmen als
Härtefälle vorgesehen werden können.