Sitzung: 11.05.2017 Rat der Stadt Dannenberg (Elbe)
Beschluss: Mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 14, Nein: 4, Enthaltungen: 1
Vorlage: 1/0241/2017
Herr
Rhode berichtet wie folgt:
Bei der
letzten Änderung des NKomVG ist auch die Fassung des § 64 Abs. 2 NKomVG über
die sog. Medienöffentlichkeit von Sitzungen geändert worden. Diese Norm hat nun
folgende Fassung:
In öffentlichen
Sitzungen sind Bildaufnahmen zulässig, wenn sie die Ordnung der Sitzung nicht
gefährden. Film- und Tonaufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung mit dem Ziel
der Berichterstattung sind in öffentlicher Sitzung nur zulässig, soweit die
Hauptsatzung dies bestimmt. Abgeordnete der Vertretung können verlangen, dass
die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die Veröffentlichung der Aufnahme
unterbleibt.
Nach
dieser Norm ist es nunmehr also ausdrücklich möglich, Film- und Tonaufnahmen
inkl. sogenannter Livestream-Aufnahmen in öffentlichen Sitzungen zuzulassen.
Nach der Begründung zum Entwurf des oben genannten Gesetzes zur Änderung des
NKomVG kann dabei differenziert geregelt werden, für welche Zwecke und mit
welcher Technik Aufnahmen und Übertragungen erfolgen dürfen. Es wäre also auch
zulässig, nur Tonaufnahmen, nicht aber Filmaufnahmen in öffentlichen Sitzungen
zuzulassen. Mit Blick auf die entsprechende Anwendung des § 64 NKomVG auf alle
öffentliche Sitzungen wäre es auch zulässig, die Medienöffentlichkeit in den
Fachausschüssen des Rates zuzulassen.
Das
Persönlichkeitsrecht einer jeden Abgeordneten / eines jeden Abgeordneten bleibt
unberührt, weil diese verlangen können, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages
zu unterbleiben hat.
Der
Gesetzgeber hat aber gefordert, die Zulässigkeit (vermutlich aufgrund der
Tragweite) in der Hauptsatzung zu
regeln.
Vorher
waren entsprechende Regelungen in der Geschäftsordnung möglich. Hiervon wurde
in der Vergangenheit im Bereich der Samtgemeinde Elbtalaue oftmals Gebrauch
gemacht, indem Aufzeichnungen auf Tonträgern durch Dritte grundsätzlich für
unzulässig erklärt wurden. Sie konnten lediglich auf Beschluss des Rates
zugelassen werden.
Diese
restriktive Regelung der Vergangenheit hatte allerdings auch ihren Grund.
So ging
bereits das BVerwG in seinem Urteil v. 3.8.1990 in einem diesbezüglichen Fall
von einer Funktionsstörung des Rates aus. Zu den notwendigen Voraussetzungen
eines geordneten Sitzungsbetriebes gehöre eine von psychologischen Hemmnissen
möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre, so das Gericht. Die Willensbildung des
Rates müsse freimütig, ungezwungen und in aller Öffentlichkeit erfolgen. Das
Recht des Ratsmitgliedes auf freie Rede aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG dürfe nicht
empfindlich berührt werden. Von daher bestehe die Besorgnis, dass insbesondere
in kleineren und ländlichen Gemeinden, weniger redegewandte Ratsmitglieder
durch das Bewusstsein des Tonmitschnitts ihre Spontanität verlieren. Die
Qualität der Berichterstattung hänge zudem nicht von einer dauerhaften
Aufzeichnung der vollständigen Ratssitzung ab.
Eine
permanente Medienpräsenz kann im Vergleich zu bloßer Saalöffentlichkeit also
auch in Sitzungen der Vertretung zu erheblichen negativen Auswirkungen führen.
Zu den vom Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 1990 geäußerten Bedenken
kommt bei Fernseh- und Videoaufnahmen noch das Bildmoment hinzu. Hierbei ist zu
beachten, dass viele Menschen ihr Verhalten in Anwesenheit von Medien
verändern. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des einzelnen
Gemeinderatsmitglieds/Gemeindevertreters ist hier noch umfassender und stärker
als bei reinen Tonaufnahmen zu bewerten. Denn die Direktübertragung von
öffentlichen Gemeinderats-/Gemeindevertretersitzungen im Internet stellt
datenschutzrechtlich eine Übermittlung personenbezogener Daten weltweit an eine
Vielzahl unbestimmter Personen dar. Betroffen sind insoweit nicht nur die
Vertretungsmitglieder und sonstige Personen wie etwa Mitarbeiter der
Samtgemeindeverwaltung, von denen Bildaufnahmen und bei Redebeiträgen in der
Sitzung auch Tonaufnahmen im Internet zu sehen sind. Betroffen sind darüber
hinaus auch Bürgerinnen und Bürger, deren Angelegenheiten in einer solchen
öffentlichen Vertretungssitzung personenbezogen behandelt werden.
Die
Verwaltung müsste hier dann im Einzelfall prüfen, was in einer solchen
öffentlichen und ggf. per Film zu übertragenden Sitzung überhaupt noch
personenbezogen berichtet werden darf. Davon abgesehen sind auch Zuhörer
betroffen, wenn sie auf den im Internet verbreiteten Aufnahmen zu erkennen sind
oder ein Rückschluss auf ihre Person möglich ist.
Das
NKomVG schließt zwar eine Aufzeichnung von Zuhörern ohne ihre Einwilligung aus
(nur die Mitglieder der Vertretung dürfen aufgezeichnet werden), es ist
allerdings fraglich, ob dies in der Realität immer gewährleistet werden kann.
Aufgrund
dieser Bedenken empfiehlt die Verwaltung auch nach Rücksprache mit Herrn Thiele
vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund (NSGB), von einer entsprechenden
Regelung in der Hauptsatzung abzusehen und damit Film- und Tonaufnahmen für
Dritte nicht zuzulassen.
Sollte
sich der Rat dennoch dafür entscheiden, empfiehlt der NSGB, die folgende
Regelung in die Hauptsatzung aufzunehmen:
§ …….
Film- und Tonaufnahmen in
öffentlichen Sitzungen des Rates
(1) In öffentlichen Sitzungen des Rates
dürfen Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Verwaltung Film- und
Tonaufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung mit dem Ziel der
Berichterstattung anfertigen. Die Anfertigung der Aufnahmen ist der
Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden vor dem Beginn der Sitzung anzuzeigen. Sie
oder er hat die Mitglieder des Rates zu Beginn der Sitzung darüber zu
informieren.
(2) Ratsfrauen und Ratsherren können
verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die Berichterstattung der
Aufnahme unterbleibt. Das Verlangen ist gegenüber der Vorsitzenden oder dem
Vorsitzenden geltend zu machen und im Protokoll zu dokumentieren. Die
Vorsitzende oder der Vorsitzende hat im Rahmen seiner Ordnungsgewalt (§ 63
NKomVG) dafür Sorge zur tragen, dass die Aufnahmen unterbleiben.
(3) Film- und Tonaufnahmen von anderen
Personen als den Mitgliedern des Rates, insbesondere von Einwohnerinnen und
Einwohnern sowie von Beschäftigten der Stadt / Gemeinde / Samtgemeinde, sind
nur zulässig, wenn diese Personen eingewilligt haben.
(4) Die Zulässigkeit von Tonaufnahmen zum
Zwecke der Erstellung des Protokolls bleibt davon unberührt.
Die Tonaufnahme für
die Anfertigung des Sitzungsprotokolls bleibt unberührt.
Rh Herzog empfindet
es absurd anzunehmen, dass sich Mandatsträger in einer Sitzung anders verhalten
bzw. äußern wenn Ton- oder Filmaufnahmen stattfinden. Er kann diese Auffassung
nicht teilen. Im Gegenteil, man sollte diese Gelegenheit nutzen, um seine
Meinung einer breiteren Öffentlichkeit kund zu tun. Seiner Ansicht nach sollten
neue Medien (Livestream) genutzt werden. Daher spricht er sich dafür aus, die
Möglichkeiten von Bild- und Tonaufnahmen zuzulassen und entsprechend zu regeln.
Rh Schwidder
spricht sich dafür aus, die Aufnahmemöglichkeiten nicht zuzulassen. Er kann die
Begründungen, wie vorgetragen durchaus nachvollziehen und möchte der Empfehlung
des VA folgen. Seiner Meinung nach sollte die vielfältige Diskussionskultur,
die sich hier im Gegensatz zu großstädtischen Gremien in Nachbarkreisen
etabliert hat weiter gelebt werden.
Stellv. Bgm Schultz
und stellv. Bgm Behning bekräftigen die Beschlussempfehlung des VA.
Rh Dr. Lange weist
nochmal auf die Transparenz hin, die mit der Möglichkeit von derartigen
Aufnahmen gegeben werden kann. Er sieht die Zulassung von Ton- und
Filmaufnahmen als Signal an die Öffentlichkeit.
Er kündigt an, dass
seine Fraktion den Verwaltungsvorschlag nicht mittragen wird.
Stellv. Bgm Behning
und stellv. Bgm Hanke verweisen auf die Möglichkeiten des
Bürgerinformationssystems und der Teilnahme an Sitzungen durch die
Öffentlichkeit. Damit ist die Transparenz gegeben. Eine Zulassung von Film- und
Tonaufnahmen und die damit verbundenen Umstände der Handhabung würden nicht nur
für die Verwaltung ein vielfaches an Mehrarbeit verursachen.
Rh Zuther ist der
Meinung, durch die Zulassung der o.a. Möglichkeiten kann eine breite Masse und
vor allem die Jugend an Politik herangeführt werden. Es plädiert dafür,
derartige Aufnahmen grundsätzlich zuzulassen um dann im Einzelfall über die
Nutzung entscheiden zu können. Seiner Meinung nach kann man durch
wiederkehrendes Anschauen und Nachhören solcher Aufnahmen auch Emotionen und Intentionen
besser wahrnehmen.
In der
weiterfolgenden Diskussion wird die Meinung vertreten, dass, wenn es Anfragen
für derartige Aufnahmen gibt, der Rat dieses bei Bedarf entscheiden könnte.
Eine Hauptsatzungsänderung wird nicht für erforderlich gehalten.
Der Rat fasst
folgenden
Beschluss:
Eine Regelung zur
Zulässigkeit von Film- und Tonaufnahmen in öffentlichen Sitzungen des Rates der
Stadt Dannenberg (Elbe) und seiner Fachausschüsse wird nicht in die
Hauptsatzung aufgenommen.