Sitzung: 21.06.2010 Rat der Stadt Dannenberg (Elbe)
Beschluss: Kenntnis genommen
Bgm Selber begrüßt Herrn Polizeipräsidenten Niehörster, der sich den Anwesenden kurz vorstellt.
Bgm
Selber verweist auf den vorliegenden Fragenkatalog von Herrn Süßenbach, der
sich mit der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte befasst. Es wird der Wunsch
geäußert, dass die Fragen von Herrn Polizeipäsidenten Niehörster beantwortet
werden.
Polizeipräsident Niehörster macht deutlich, dass die Polizeibeamten an der
Einsatzkleidung, die bei Demonstrationen getragen wird – um sich und ihre
Familien zu schützen – auch künftig keine Namensschilder tragen werden. Auch
eine Dienstnummer an der Uniform wird es nicht geben. Polizeipräsident
Niehörster wörtlich: „Polizeibeamte sind keine Nummern“.
Von Rh Schwidder kommt der Einwand, dass bei Besoldungsabrechnungen für Beamte z.B.
eine Personalnummer vergeben wurde und trotzdem seien diese Menschen „keine
Nummern“.
Rh Brüggemann, Rh Herzog und Rh Dr. Lange berichten von Erfahrungen während der
CASTOR-Transporte und zeigen damit, wie notwendig aus ihrer Sicht eine Kennzeichnung
der Beamten ist. Auch in Reihen der Polizei gebe es „Schwarze Schafe“ und diese
sollten – wie auch die Demonstranten -
zur Rechenschaft gezogen werden können.
Polizeipräsident Niehörster macht deutlich, dass die Kennzeichnung an den
Helmen der Polizisten ausreichend sei, um bei Beschwerden oder Strafanzeigen
gegen einzelne Beamte zu ermitteln.
Über die Helmkennzeichnung lasse sich der Zug feststellen, dem der fragliche
Beamte angehöre. Ein solcher Zug bestehe aus etwa 30 Beamten und über „weitere
individuelle Merkmale“ sowie die Notiz des Ortes und der Uhrzeit und des
Kennzeichens eventueller Polizeifahrzeuge in der Nähe sei es möglich, den
jeweiligen Polizisten namhaft zu machen. Man möge sich eben möglichst viele
solcher Merkmale einprägen, und: „eine Variante“ der Identifizierung könne es
auch sein, den Polizisten zu fotografieren. Rh Herzog schilderte aus seiner
Erfahrung, was mit Demonstranten geschehe, die Polizisten fotografieren: Der
Fotoapparat werde von der Polizei weggenommen, schlimmstenfalls hingeworfen und
kaputt getreten. Er werde sich, Niehörsters Worten folgend, für künftige Demos
mit mehreren Kameras und einem Diktiergerät ausrüsten.
Die
Nachfrage, was geschieht, wenn – wie immer wieder zu beobachten – Beamte ohne
Kennzeichnung am Helm im Demonstrations-Einsatz auftreten beantwortet
Polizeipräsident Niehörster dahingehend, „das sei ja nicht die Regel“. Die
Beamten der Bereitschaftspolizei, also die überwiegende Zahl der Einsatzkräfte,
trügen grundsätzlich die Nummer ihrer Einheit am Helm. Eine Absprache der
Innenminister zur Folge halte sich in der Regel auch die Bereitschaftspolizei
aus anderen Bundesländern daran. Diese Kräfte unterstehen während der
Castor-Einsätze dem Niedersächsischen Polizeirecht und den Weisungen aus Lüneburg.
Aber wenn die Kräfte der Bereitschaftspolizei nicht ausreichten, dann müssten
Beamte außerhalb der Bereitschaftspolizei hinzugezogen werden, Kräfte demnach,
die keine gekennzeichnete Helme haben.
Auf
die Frage zu Polizei-Einheiten, die bei Castor-Demos überhaupt nicht als
Polizisten kenntlich sind, aber – ganz in Schwarz -als solche agieren,
erwiderte Polizeipräsident Niehörster: „Es gibt bei der Polizei keinen
schwarzen Block“.
Rh
Herzog berichtet von den Erfahrungen mit Einsatzkräften, die nicht gekennzeichnet
gewesen seien, die der Dannenberger Bürger Helmar Süßenbach gemacht hat. Er war
es, der seinerzeit die Diskussion über die Polizei-Kennzeichnung im
Dannenberger Rat ausgelöst hatte – und letztlich auch den Besuch des
Polizeipräsidenten im Rat. Wegen einer vor langer Zeit gebuchten Reise konnte
Süßenbach nicht zur Sitzung nach Breese kommen. Der Bürger hatte nach dem
Castor-Transport 2008 mehrmals Schreiben ans Innenministerium und an die
Polizeidirektion geschickt, darin seien persönlichen Erfahrungen mit „Polizei
ohne Kennzeichnung“ geschildert – aber, so berichtete Süßenbach sinngemäß, er
habe keine befriedigenden Antworten erhalten. Der Bürger hatte seine Briefe
sowohl nach Hannover und Lüneburg geschickt als auch an die entsprechenden
Dienststellen nach Sachsen-Anhalt; denn Polizeibeamte von dort seien es
gewesen, die ohne Kennzeichnung aufgetreten waren.
Polizeipräsident
Niehörster erklärte zum „Fall Süßenbach“, er kenne diesen Vorgang nicht; er
könne nicht persönlich von allen Vorgängen wissen, die in der großen
Polizeibehörde bearbeitet werden.
Dass ausgerechnet diese Angelegenheit, die immerhin Eingang in mehrere
Ratssitzungen gefunden hatte, dem Präsidenten nicht bekannt sei, wird von Rh Herzog als unfassbar kritisiert. Polizeipräsident
Niehörster sagte zu, der Sache nachzugehen. Auf den heute vorgelegten
Fragenkatalog von Herrn Süßenbach werde eine schriftliche Antwort ergehen.
Generell
erklärte der Präsident zu den Castor-Einsätzen:
Er lege großen Wert darauf, dass sich die Polizei dabei auf ihren Auftrag
beschränke - auf den Schutz der Transportstrecke. Den eingesetzten Beamten
werde immer wieder eingeschärft, sich auf diese Aufgabe zu konzentrieren und
„alles andere in Ruhe zu lassen“ in der Region. Deeskalation sei angesagt, hob
Niehörster hervor, und dieses Konzept habe sich bewährt: Seit Beginn der
Castor-Transporte sei die Zahl angezeigter strafbaren Handlungen– auf allen
Seiten – von über 1000 auf rund 50 zurückgegangen. Aber man muss berücksichtigen,
dass „eine fünfstellige Zahl“ von Beamten bei Castor-Transporten im Landkreis
zugegen sei, und unter denen seien nun mal auch Menschen, die sich nicht immer
an die Linie „seid nett zu den Bürgern“ halten. Wenn etwa an einem zu
überwachenden Punkt nach 15 Stunden Einsatz ohne jegliches Geschehen plötzlich
ein Auto auftauche, dann sei es schon mal denkbar, dass das dortige Polizeiteam
ohne konkreten Verdacht kontrolliert. Wer sich bei solchen oder ähnlichen
Vorkommnissen schikanös behandelt fühlt, solle sich das Kennzeichen des
Einsatzfahrzeuges notieren und die Sache der örtlichen Polizeidienststelle
melden.
Rh
Fathmann erkundigt sich, ob es stimme, dass „verdeckte Ermittler“ in
Demonstranten-Gruppen eingeschleust werden. Er kenne einen Fall, da habe solch
ein Beamter die „Mitstreiter“ auch noch emsig motiviert zu ihrem Tun. Polizeipräsident
Niehörster erklärt, dass dieses Einschleusen ein Teil der polizeilichen Aufklärung
sei. Solche Ermittlungen seien vonnöten, um Beamte vor bösen Überraschungen
durch irgendwelche Aktionen zu schützen. Und: Es gelte, herauszufinden, „wo
setzt die jeweilige Gruppe ihre Schwerpunkte“.
Das
Verlangen nach Kennzeichnung der einzelnen Polizisten, bewertete Friedrich
Niehörster als ein „Ausdruck des Misstrauens“, das er „nur hier“ kennen gelernt
habe. Überall sonst genieße die Polizei in der Bevölkerung hohes Vertrauen, wie
entsprechende Untersuchungen belegten.
Entschieden
verwehrte sich der Polizeipräsident gegen den Vorwurf, unter den Polizeibeamten
herrsche so etwas wie „Korpsgeist“, im Klartext: Wenn ein Beamter während einer
Demo unrechtmäßig handelt, greife sein Kollege nicht ein. Das stimme nicht,
betonte Niehörster: „Schwarze Schafe gehören verdonnert – auf beiden Seiten!“
Die Beamten seien sehr gut ausgebildet, „Sie wissen, was sie tun dürfen und was
nicht.“ Und: „Da wird sich gegenseitig korrigiert“.
Bgm Selber unterbricht die Sitzung von 20.35 Uhr
bis 21.00 Uhr um auch den anwesenden Bürgern und Bürgerinnen die Möglichkeit zu
geben, Fragen an Herrn Polizeipräsidenten Niehörster zu richten.
Nach Wiedereröffnung der Sitzung erklärt Polizeipräsident Niehörster, dass er
mit anderen Erwartungen in diese Sitzung gekommen ist. Er ist davon
ausgegangen, dass an ihn vielfältige Fragen zu unterschiedlichen Bereichen der
Polizeiarbeit im Zusammenhang mit
CASTOR-Tansporten gestellt werden. Er bedauert, dass sich alle Fragestellungen
lediglich mit der Kennzeichnung von Polizeibeamten befasst haben,
Bgm Selber bedankt sich bei Herrn Polizeidirektor Niehörster für das Gespräch.