Sitzung: 07.09.2009 Rat der Stadt Dannenberg (Elbe)
Beschluss: Kenntnis genommen
Abstimmung: Ja: 20
Vorlage: 3/484/2009
Nach Begrüßung der
Referenten durch Bgm Selber, leitet Stadtdirektor Meyer in das Thema ein.
Anlass des Rates sich mit der Zukunft der Landwirtschaft zu befassen, ist das
zwischenzeitlich zurückgenommene Vorverfahren auf Errichtung einer Schweinemastanlage
im Raum Klein Heide.
Es wird darauf verwiesen, dass die Beteiligung der Stadt einzig auf eine
Stellungnahme in planungsrechtlicher Hinsicht und der Bestätigung einer
Erschließung beschränkt ist.
Anlagen, wie die ursprünglich in Klein Heide geplante, können im Rahmen der in
§ 35 Abs.1, Nr. 1 BauGB eingeräumten Privilegierung im Außenbereich erstellt
werden.
Dies gilt auch für die zzt. in vielen Bereichen
entstehenden Biogasanlagen, sofern sie die in § 35 BauGB festgehaltenen
Bestimmungen einhalten.
Erforderliche Genehmigungen sind von übergeordneten Behörden zu erteilen.
Als Referenten sind anwesend:
- Frau Maren Ramm BI
gegen Schweinefabrik bei Klein Heide
- Herr Wolf Winkelmann Geschäftsführer Bauernverband
NON, Lüneburg
- Herr Thorsten Riggert Bez. Vors. Bauernverband NON
- Herr Tilmann Uhlenhaut BUND
- Herr Eckehard Niemann stellv. Vors. Arbeitsgemeinschaft
bäuerl. Landwirtschaft
- Herr Dr. Thiel Kreisveterinär
LK Lüchow-Dannenberg
Diese stellen sich persönlich mit ihrer Funktion kurz
vor und beantworten die nachfolgenden, Ihnen vorab zugestellten Fragen, damit
den Vertretern des Rates eine Basis für Fragen an die Referenten zur Verfügung
steht. Der Beantwortungszeitraum soll pro Referenten ca. 10 Minuten betragen.
Zu beantwortende Fragen:
- Welche Perspektive hat Landwirtschaft heute und
wohin geht die Entwicklung?
- Wo hört die bäuerl. Landwirtschaft auf und wo
fängt die agrarindustrielle Tierhaltung an?
- Ist ein Miteinander von Landwirtschaft,
Naturschutz und Tourismus möglich?
Frau Ramm:
o
Die BI wurde im Zusammenhang mit den ursprünglichen
Überlegungen zur Errichtung einer Schweinemastanlage in Groß Heide gegründet.
Hierbei geht es nicht um Entzug der Existenzgrundlage für einen einzelnen
Betrieb, das Erzeugen von Aufmerksamkeit für die Bedingungen bei der
agrarindustriellen Tierproduktion, die Sensibilisierung der Menschen für eine
tiergerechte Haltung in der Aufzucht, ist Anliegen der BI.
o
Der Verbraucher als Endabnehmer aller Produkte, erwartet eine Erzeugung, die ihm die
Entscheidung über den Erwerb leichtmacht. Hierzu gehört bei dem Umgang mit
Tieren an 1. Stelle die tiergerechte Haltung. Erst an 11. Stelle einer
entsprechenden Verbraucherumfrage taucht der Wunsch nach möglichst billigen
Lebensmitteln auf. Die Fleischindustrie kennt dieses Bedürfnis und nutzt dieses
in der Präsentation ihrer Produkte. Immer sind Tiere in Freilandhaltung auf den
Verpackungen oder in der Werbung zu sehen. Niemals werden die tatsächlichen
Produktionsbedingungen als Werbeträger genutzt.
o
Sichere Absatzmärkte für den Zeitraum der
Refinanzierung der Investition werden in Frage gestellt, die hohen Subventionen
für die Erzeugung angesprochen.
Jeder neue Arbeitsplatz in Mastanlagen verdrängt 8 Arbeitsplätze in der
traditionellen Landwirtschaft.
o
Die Hinwendung der Landwirtschaft zu einem bewussterem
Umgang mit den natürlichen Ressourcen, verbunden mit einer geänderten
Subventionspolitik und natürlich einem spürbar geändertem Verbraucherverhalten,
gilt es anzustreben. Eine solche Veränderung gibt dann auch spürbare Impulse
für eine Entwicklung des ländlichen Raumes in anderen Wirtschaftszweigen, wie
z. B. des Tourismus und des Umweltschutzes.
Herr Riggert:
o
Die Landwirtschaft unterliegt der Spezialisierung,
genauso wie dies in nahezu allen anderen Wirtschaftsbereichen der Fall ist. Der
Raum Lüchow-Dannenberg, Uelzen bildet einen hervorragenden Standort. Der
Tierbesatz ist mit 0,4 Großvieheinheiten (1 GV = 7 Schweine) recht gering.
o
Bäuerliche Landwirtschaft orientiert sich an
bäuerlichen Familien, die hinter der Unternehmung stehen, unabhängig vom Grad
der Spezialisierung. Hierbei spielt es keine Rolle, ob dies in Form von
Gesellschaftsgründung oder Einzelunternehmung geschieht.
Die Frage der Gesellschaftsform und der Finanzierung von außen, stellt sich
regelmäßig auch im Bereich des ökologischen Landbaus, der mit dem Einzug der
Produkte in die Discounter ebenfalls unter Preisdruck gerät.
o
Konventionelle Landwirtschaft, auch unter
Berücksichtigung größerer Einheiten verträgt sich mit den touristischen
Interessen einer Region. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Region
Emsland, die zweistellige Steigerungsraten im Bereich der Übernachtungszahlen
aufweist.
Herr Winkelmann:
o
Trotz Spezialisierungstendenzen in der Landwirtschaft,
wird es zukünftig auch weiterhin den Betrieb geben, der alle Bereiche der
landwirtschaftlichen Produktion abdeckt. Voraussetzung ist die Marktfähigkeit
jedes einzelnen Unternehmens. Fazit. „Die“ Landwirtschaft gibt es nicht.
Nischenfestigkeit des Landwirtes ist gefragt.
Bei diesen Überlegungen ist aber auch die Endwicklungsperspektive der
Landwirtschaft zu beachten. Es wird ein Nebeneinander aller
Landwirtschaftsformen geben müssen.
o
Der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfung
liegt im LK Lüchow-Dannenberg bei 5 %, der Pachtflächenanteil bei 70 %.
Die bäuerliche Landwirtschaft, unter der zuvor von Herrn Riggert gegebenen
Definition, wird gewünscht, aber Perspektiven der Landwirtschaft, auch im
Bereich der konventionellen Tiererzeugung, müssen genutzt werden können.
Auch wenn Bankenfinanzierung unabdingbar sein wird, nahezu bei jeglicher
Investition, so muss Geld Dritter, die nicht unter die bäuerliche
Landwirtschaft zu definieren sind, vermieden werden.
o
Die Landwirtschaft ist interessiert an Umwelt- und
Naturschutz. Beispielhaft wird die Zusammenarbeit mit dem Naturschutz im
Hinblick auf die Sicherung des Bestandes an Bodenbrütern verwiesen. Hier gibt
es gute Erfolge bei dem Schutz von Gelegen. Diese sind auf das Engagement eines
jeden einzelnen Landwirts zurückzuführen.
Herr Niemann:
o
Nach Auffassung von Herrn Niemann, sind die derzeit
für den Raum Lüchow-Dannenberg – Uelzen in Rede stehenden Mastanlagen (3. –
5.000 Tiere) Übergangserscheinungen auf dem Weg zu weitaus größeren Anlagen.
Großmäster aus dem Emsland, finanziell gestützt durch
Futtermittelhersteller, werden wegen
fehlender Expansionsmöglichkeiten dort,
auch in diesen Raum drücken.
o
Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist die Erzeugung von
Nahrungsmitteln und die Beseitigung des Hungers weltweit. Daneben gilt es auch
Rohstoffe zur Energieversorgung herzustellen und die Übernahme von
multifunktionalen Aufgaben wie Landschaftspflege usw. zu sichern. Dies sollte
unter Erhaltung einer regionalen Vielfalt und Eigenständigkeit geschehen.
Hierbei wird nicht nur ein umfassendes Maß an Selbstbestimmung ermöglicht,
sondern es ergibt sich auch die
Produktion mittels vieler Arbeitsplätze.
Hauptaufgabe der Politik wird es sein Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der
bäuerlichen Landwirtschaft ermöglichen, ihre Entwicklung selbstbestimmt
anzugehen.
o
Bäuerliche Landwirtschaft definiert Herr Niemann über
bäuerliche Familien, die selbstbestimmt Entscheidungen über Anbau- und
Produktionsformen treffen können. Vorhaben der bäuerlichen Landwirtschaft sind
und sollten über die Privilegierung aus dem Baugesetzbuch (BauGB) (räumliche
Nähe zum Betrieb, Eigenproduktionsmöglichkeit von min. 50 % der benötigten
Futtermenge), unter Berücksichtigung einer Flächenbindung der Tiere, möglich
sein. Die Errichtung von Anlagen zur Tierproduktion sollte unter Beachtung einer
Umwelt-, Klima-, Tier- und Sozialgerechtigkeit erfolgen. Er weist darauf hin,
dass die Haltungsformen in neuen Ställen mit 1.000 Tieren oder 10.000 Tieren
nicht differieren. Bei veränderten Bedingungen, bieten kleinere Anlagen aber
viel eher die Möglichkeit der anderen Nutzung oder des Rückbaus.
Für eine artgerechte Tierhaltung ist die Haltung der Tiere auf Stroh, wie dies
z. B. in der „Neuland“-Tierproduktion erfolgt, unverzichtbar.
Herr Uhlenhaut:
o
Die sich derzeit in Asien aufzeigenden zusätzlichen Absatzmärkte
bezeichnet Herr Uhlenhaut als Momentaufnahme. Gerade in China wird man die
Eigenproduktion voranbringen.
Deutschland ist seit 2005 Exporteur von Schweinefleisch. Diese Überproduktion,
gestützt auf Agrarsubventionen, bedingt Hunger in der Welt. Billiges, aus
Deutschland in Entwicklungs- und Schwellenländer exportiertes Schweinefleisch,
verhindert in diesen Ländern die Erzeugung der benötigten Mengen. Dort
beheimatete Landwirte können nicht zu den hier subventionsgestützten Preisen
produzieren, die heimische Landwirtschaft verschwindet. Noch größere
Abhängigkeiten dieser Länder entstehen.
o
In Niedersachsen sind auf 59 % aller Flächen
Stickstoffübermengen zu verzeichnen. Hier werden 50 mg Nitrat/Liter Wasser
überschritten. Dies ist ebenfalls für viele Flächen im LK Lüchow-Dannenberg
festzustellen. Auch wenn diese Belastung in Lüchow-Dannenberg nicht auf eine
Gülleüberdüngung der Flächen zurückzuführen ist, müssen zusätzliche Belastungen
durch Feldverbringung der Gülle aus Massentierhaltung vermieden werden.
Herr Thiel:
o
Herr Thiel stellt sich als Kreisveterinär gerne zur
Beantwortung von Fragen zur Verfügung. Er verweist aber darauf, dass er als
Vertreter des Landkreises ausschließlich rechtliche Aspekte zu beachten hat.
Seine persönliche Meinung ist in diesem Zusammenhang nicht gefragt.
Dies vorweg geschickt, moniert er die pauschale Fragestellung, die er aus
rechtlichem Blickwinkel nicht beantworten kann.
o
Er gibt zur Kenntnis, dass gerade erst eine Delegation
aus China vor Ort war, die auch den Schlachthof Vogler auditiert hat. Die
Untersuchung steht im Zusammenhang mit Fleischimporten auch aus unserer Region.
o
Es gibt nach seiner Auffassung keinen Hinweis
mangelnder Artgerechtigkeit der gesetzlichen Bestimmungen zur Errichtung von
Großtieranlagen. Fest steht nach seiner Auffassung die Notwendigkeit der
Produktion günstigen Fleisches. „ Niemand ist gegen artgerechte Tierhaltung,
aber abgerechnet wird an der Kasse.“
In einer nahezu zweistündigen Sitzungsunterbrechung,
erhalten die zahlreichen Gäste der Ratssitzung die Möglichkeit zur Fragstellung
an die Referenten.
Hierbei werden Fragen nach
v Finanzierungsmöglichkeiten
der Landwirtschaft für Großprojekte,
v durchschnittlichen
Flächengrößen im LK und deren überregionaler Bedeutung,
v der Definition des
Begriffes Massentierhaltung,
v der Bedeutung von
Subventionen für die Landwirtschaft,
v der Begrifflichkeit
„artgerecht“,
v des Interesses des
Bauernverbandes an Umweltfragen usw.
beantwortet.
Nach Wiedereintritt in die Sitzung, werden durch die Ratsmitglieder vertiefende
Fragen gestellt. Antworten der Referenten werden teilweise kurz erörtert. Auf
eine tiefer gehende Diskussion wird vor dem Hintergrund des reinen
Informationscharakters der Sitzung verzichtet.
Der Stadtrat wird sich mit diesem Thema erneut befassen.
Fragen der Gestaltung der Diskussion im Stadtrat sind zu klären Eine
Beschlussfassung ist in dieser Sitzung nicht vorgesehen.
Positiv wird von allen Beteiligten der Beginn des Dialoges zwischen
Landwirtschaft und BI eingeschätzt.