Beschluss: Kenntnis genommen

Abstimmung: Ja: 20

Nach Begrüßung der Referenten durch Bgm Selber, leitet Stadtdirektor Meyer in das Thema ein. Anlass des Rates sich mit der Zukunft der Landwirtschaft zu befassen, ist das zwischenzeitlich zurückgenommene Vorverfahren auf Errichtung einer Schweinemastanlage im Raum Klein Heide.
Es wird darauf verwiesen, dass die Beteiligung der Stadt einzig auf eine Stellungnahme in planungsrechtlicher Hinsicht und der Bestätigung einer Erschließung beschränkt ist.
Anlagen, wie die ursprünglich in Klein Heide geplante, können im Rahmen der in § 35 Abs.1, Nr. 1 BauGB eingeräumten Privilegierung im Außenbereich erstellt werden.

Dies gilt auch für die zzt. in vielen Bereichen entstehenden Biogasanlagen, sofern sie die in § 35 BauGB festgehaltenen Bestimmungen einhalten.
Erforderliche Genehmigungen sind von übergeordneten Behörden zu erteilen.

Als Referenten sind anwesend:

 

  • Frau Maren Ramm                         BI gegen Schweinefabrik bei Klein Heide
  • Herr Wolf Winkelmann                                Geschäftsführer Bauernverband NON, Lüneburg
  • Herr Thorsten Riggert                   Bez. Vors. Bauernverband NON
  • Herr Tilmann Uhlenhaut                             BUND
  • Herr Eckehard Niemann                              stellv. Vors. Arbeitsgemeinschaft bäuerl. Landwirtschaft
  • Herr Dr. Thiel                                    Kreisveterinär LK Lüchow-Dannenberg

 

Diese stellen sich persönlich mit ihrer Funktion kurz vor und beantworten die nachfolgenden, Ihnen vorab zugestellten Fragen, damit den Vertretern des Rates eine Basis für Fragen an die Referenten zur Verfügung steht. Der Beantwortungszeitraum soll pro Referenten ca. 10 Minuten betragen.

 

Zu beantwortende Fragen:

 

  1. Welche Perspektive hat Landwirtschaft heute und wohin geht die Entwicklung?
  2. Wo hört die bäuerl. Landwirtschaft auf und wo fängt die agrarindustrielle Tierhaltung an?
  3. Ist ein Miteinander von Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus möglich?

 

 

Frau Ramm:

o   Die BI wurde im Zusammenhang mit den ursprünglichen Überlegungen zur Errichtung einer Schweinemastanlage in Groß Heide gegründet. Hierbei geht es nicht um Entzug der Existenzgrundlage für einen einzelnen Betrieb, das Erzeugen von Aufmerksamkeit für die Bedingungen bei der agrarindustriellen Tierproduktion, die Sensibilisierung der Menschen für eine tiergerechte Haltung in der Aufzucht, ist Anliegen der BI.

 

o   Der Verbraucher als Endabnehmer aller Produkte,  erwartet eine Erzeugung, die ihm die Entscheidung über den Erwerb leichtmacht. Hierzu gehört bei dem Umgang mit Tieren an 1. Stelle die tiergerechte Haltung. Erst an 11. Stelle einer entsprechenden Verbraucherumfrage taucht der Wunsch nach möglichst billigen Lebensmitteln auf. Die Fleischindustrie kennt dieses Bedürfnis und nutzt dieses in der Präsentation ihrer Produkte. Immer sind Tiere in Freilandhaltung auf den Verpackungen oder in der Werbung zu sehen. Niemals werden die tatsächlichen Produktionsbedingungen als Werbeträger genutzt.

o   Sichere Absatzmärkte für den Zeitraum der Refinanzierung der Investition werden in Frage gestellt, die hohen Subventionen für die Erzeugung angesprochen.
Jeder neue Arbeitsplatz in Mastanlagen verdrängt 8 Arbeitsplätze in der traditionellen Landwirtschaft.

 

o   Die Hinwendung der Landwirtschaft zu einem bewussterem Umgang mit den natürlichen Ressourcen, verbunden mit einer geänderten Subventionspolitik und natürlich einem spürbar geändertem Verbraucherverhalten, gilt es anzustreben. Eine solche Veränderung gibt dann auch spürbare Impulse für eine Entwicklung des ländlichen Raumes in anderen Wirtschaftszweigen, wie z. B. des Tourismus und des Umweltschutzes.

 

 

Herr Riggert:

 

o   Die Landwirtschaft unterliegt der Spezialisierung, genauso wie dies in nahezu allen anderen Wirtschaftsbereichen der Fall ist. Der Raum Lüchow-Dannenberg, Uelzen bildet einen hervorragenden Standort. Der Tierbesatz ist mit 0,4 Großvieheinheiten (1 GV = 7 Schweine) recht gering.

o   Bäuerliche Landwirtschaft orientiert sich an bäuerlichen Familien, die hinter der Unternehmung stehen, unabhängig vom Grad der Spezialisierung. Hierbei spielt es keine Rolle, ob dies in Form von Gesellschaftsgründung oder Einzelunternehmung geschieht.
Die Frage der Gesellschaftsform und der Finanzierung von außen, stellt sich regelmäßig auch im Bereich des ökologischen Landbaus, der mit dem Einzug der Produkte in die Discounter ebenfalls unter Preisdruck gerät.

o   Konventionelle Landwirtschaft, auch unter Berücksichtigung größerer Einheiten verträgt sich mit den touristischen Interessen einer Region. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Region Emsland, die zweistellige Steigerungsraten im Bereich der Übernachtungszahlen aufweist.

 

 

Herr Winkelmann:

 

o   Trotz Spezialisierungstendenzen in der Landwirtschaft, wird es zukünftig auch weiterhin den Betrieb geben, der alle Bereiche der landwirtschaftlichen Produktion abdeckt. Voraussetzung ist die Marktfähigkeit jedes einzelnen Unternehmens. Fazit. „Die“ Landwirtschaft gibt es nicht. Nischenfestigkeit des Landwirtes ist gefragt.
Bei diesen Überlegungen ist aber auch die Endwicklungsperspektive der Landwirtschaft zu beachten. Es wird ein Nebeneinander aller Landwirtschaftsformen geben müssen.

o   Der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfung liegt im LK Lüchow-Dannenberg bei 5 %, der Pachtflächenanteil bei 70 %.
Die bäuerliche Landwirtschaft, unter der zuvor von Herrn Riggert gegebenen Definition, wird gewünscht, aber Perspektiven der Landwirtschaft, auch im Bereich der konventionellen Tiererzeugung, müssen genutzt werden können.
Auch wenn Bankenfinanzierung unabdingbar sein wird, nahezu bei jeglicher Investition, so muss Geld Dritter, die nicht unter die bäuerliche Landwirtschaft zu definieren sind, vermieden werden.

o   Die Landwirtschaft ist interessiert an Umwelt- und Naturschutz. Beispielhaft wird die Zusammenarbeit mit dem Naturschutz im Hinblick auf die Sicherung des Bestandes an Bodenbrütern verwiesen. Hier gibt es gute Erfolge bei dem Schutz von Gelegen. Diese sind auf das Engagement eines jeden einzelnen Landwirts zurückzuführen.


Herr Niemann:

 

o   Nach Auffassung von Herrn Niemann, sind die derzeit für den Raum Lüchow-Dannenberg – Uelzen in Rede stehenden Mastanlagen (3. – 5.000 Tiere) Übergangserscheinungen auf dem Weg zu weitaus größeren Anlagen. Großmäster aus dem Emsland, finanziell gestützt durch Futtermittelhersteller,  werden wegen fehlender Expansionsmöglichkeiten dort,  auch in diesen Raum drücken. 

o   Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist die Erzeugung von Nahrungsmitteln und die Beseitigung des Hungers weltweit. Daneben gilt es auch Rohstoffe zur Energieversorgung herzustellen und die Übernahme von multifunktionalen Aufgaben wie Landschaftspflege usw. zu sichern. Dies sollte unter Erhaltung einer regionalen Vielfalt und Eigenständigkeit geschehen. Hierbei wird nicht nur ein umfassendes Maß an Selbstbestimmung ermöglicht, sondern es ergibt sich  auch die Produktion mittels vieler Arbeitsplätze.
Hauptaufgabe der Politik wird es sein Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der bäuerlichen Landwirtschaft ermöglichen, ihre Entwicklung selbstbestimmt anzugehen.

o   Bäuerliche Landwirtschaft definiert Herr Niemann über bäuerliche Familien, die selbstbestimmt Entscheidungen über Anbau- und Produktionsformen treffen können. Vorhaben der bäuerlichen Landwirtschaft sind und sollten über die Privilegierung aus dem Baugesetzbuch (BauGB) (räumliche Nähe zum Betrieb, Eigenproduktionsmöglichkeit von min. 50 % der benötigten Futtermenge), unter Berücksichtigung einer Flächenbindung der Tiere, möglich sein. Die Errichtung von Anlagen zur Tierproduktion sollte unter Beachtung einer Umwelt-, Klima-, Tier- und Sozialgerechtigkeit erfolgen. Er weist darauf hin, dass die Haltungsformen in neuen Ställen mit 1.000 Tieren oder 10.000 Tieren nicht differieren. Bei veränderten Bedingungen, bieten kleinere Anlagen aber viel eher die Möglichkeit der anderen Nutzung oder des Rückbaus.
Für eine artgerechte Tierhaltung ist die Haltung der Tiere auf Stroh, wie dies z. B. in der „Neuland“-Tierproduktion erfolgt, unverzichtbar.

 

 

Herr Uhlenhaut:

o   Die sich derzeit in Asien aufzeigenden zusätzlichen Absatzmärkte bezeichnet Herr Uhlenhaut als Momentaufnahme. Gerade in China wird man die Eigenproduktion voranbringen.
Deutschland ist seit 2005 Exporteur von Schweinefleisch. Diese Überproduktion, gestützt auf Agrarsubventionen, bedingt Hunger in der Welt. Billiges, aus Deutschland in Entwicklungs- und Schwellenländer exportiertes Schweinefleisch, verhindert in diesen Ländern die Erzeugung der benötigten Mengen. Dort beheimatete Landwirte können nicht zu den hier subventionsgestützten Preisen produzieren, die heimische Landwirtschaft verschwindet. Noch größere Abhängigkeiten dieser Länder entstehen.

o   In Niedersachsen sind auf 59 % aller Flächen Stickstoffübermengen zu verzeichnen. Hier werden 50 mg Nitrat/Liter Wasser überschritten. Dies ist ebenfalls für viele Flächen im LK Lüchow-Dannenberg festzustellen. Auch wenn diese Belastung in Lüchow-Dannenberg nicht auf eine Gülleüberdüngung der Flächen zurückzuführen ist, müssen zusätzliche Belastungen durch Feldverbringung der Gülle aus Massentierhaltung vermieden werden.


Herr Thiel:

 

o   Herr Thiel stellt sich als Kreisveterinär gerne zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung. Er verweist aber darauf, dass er als Vertreter des Landkreises ausschließlich rechtliche Aspekte zu beachten hat. Seine persönliche Meinung ist in diesem Zusammenhang nicht gefragt.
Dies vorweg geschickt, moniert er die pauschale Fragestellung, die er aus rechtlichem Blickwinkel nicht beantworten kann.

o   Er gibt zur Kenntnis, dass gerade erst eine Delegation aus China vor Ort war, die auch den Schlachthof Vogler auditiert hat. Die Untersuchung steht im Zusammenhang mit Fleischimporten auch aus unserer Region.

o   Es gibt nach seiner Auffassung keinen Hinweis mangelnder Artgerechtigkeit der gesetzlichen Bestimmungen zur Errichtung von Großtieranlagen. Fest steht nach seiner Auffassung die Notwendigkeit der Produktion günstigen Fleisches. „ Niemand ist gegen artgerechte Tierhaltung, aber abgerechnet wird an der Kasse.“

 

 

In einer nahezu zweistündigen Sitzungsunterbrechung, erhalten die zahlreichen Gäste der Ratssitzung die Möglichkeit zur Fragstellung an die Referenten.

Hierbei werden Fragen nach

 

v  Finanzierungsmöglichkeiten der Landwirtschaft für Großprojekte,

v  durchschnittlichen Flächengrößen im LK und deren überregionaler Bedeutung,

v  der Definition des Begriffes Massentierhaltung,

v  der Bedeutung von Subventionen für die Landwirtschaft,

v  der Begrifflichkeit „artgerecht“,

v  des Interesses des Bauernverbandes an Umweltfragen usw.


beantwortet.


Nach Wiedereintritt in die Sitzung, werden durch die Ratsmitglieder vertiefende Fragen gestellt. Antworten der Referenten werden teilweise kurz erörtert. Auf eine tiefer gehende Diskussion wird vor dem Hintergrund des reinen Informationscharakters der Sitzung verzichtet.

 

Der Stadtrat wird sich mit diesem Thema erneut befassen. Fragen der Gestaltung der Diskussion im Stadtrat sind zu klären Eine Beschlussfassung ist in dieser Sitzung nicht vorgesehen.

Positiv wird von allen Beteiligten der Beginn des Dialoges zwischen Landwirtschaft und BI eingeschätzt.