Sachverhalt:
Die Gruppe
Unabhängige Gusborner und Sozial Ökologische Liste hat einen Antrag auf
Änderung der Geschäftsordnung gestellt (Anlage 1).
Bei der Prüfung des
Antrags hat sich herausgestellt, dass dieser einige rechtliche Unzulässigkeiten
enthält.
Der Antrag
beinhaltet u. a. die Regelung der Zulässigkeit von Film- und Tonaufnahmen in
der Geschäftsordnung.
Bei der
letzten Änderung des NKomVG ist auch die Fassung des § 64 Abs. 2 NKomVG über
die sog. Medienöffentlichkeit von Sitzungen geändert worden. Diese Norm hat nun
folgende Fassung:
In öffentlichen
Sitzungen sind Bildaufnahmen zulässig, wenn sie die Ordnung der Sitzung
nicht gefährden. Film- und Tonaufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung mit
dem Ziel der Berichterstattung sind in öffentlicher Sitzung nur zulässig,
soweit die Hauptsatzung dies bestimmt. Abgeordnete der Vertretung können
verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die Veröffentlichung der
Aufnahme unterbleibt.
Nach
dieser Norm ist es nunmehr also möglich, Film- und Tonaufnahmen inkl.
sogenannter Livestream-Aufnahmen in öffentlichen Sitzungen zuzulassen. Nach der
Begründung zum Entwurf des oben genannten Gesetzes zur Änderung des NKomVG kann
dabei differenziert geregelt werden, für welche Zwecke und mit welcher Technik
Aufnahmen und Übertragungen erfolgen dürfen. Es wäre also auch zulässig, nur
Tonaufnahmen, nicht aber Filmaufnahmen in öffentlichen Sitzungen zuzulassen.
Mit Blick auf die entsprechende Anwendung des § 64 NKomVG auf alle öffentliche
Sitzungen wäre es auch zulässig, die Medienöffentlichkeit in den
Fachausschüssen des Rates zuzulassen.
Das
Persönlichkeitsrecht einer jeden Abgeordneten / eines jeden Abgeordneten bleibt
unberührt, weil diese verlangen können, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages
zu unterbleiben hat.
Der
Gesetzgeber hat aber gefordert, die Zulässigkeit (vermutlich aufgrund der
Tragweite) in der Hauptsatzung zu
regeln.
Vorher
waren entsprechende Regelungen in der Geschäftsordnung möglich. Hiervon wurde
in der Vergangenheit im Bereich der Samtgemeinde Elbtalaue oftmals Gebrauch
gemacht, indem Aufzeichnungen auf Tonträgern durch Dritte grundsätzlich für unzulässig
erklärt wurden. Sie konnten lediglich auf Beschluss des Rates zugelassen
werden.
Diese
restriktive Regelung der Vergangenheit hatte allerdings auch ihren Grund.
So ging
bereits das BVerwG in seinem Urteil v. 3.8.1990 in einem diesbezüglichen Fall
von einer Funktionsstörung des Rates aus. Zu den notwendigen Voraussetzungen
eines geordneten Sitzungsbetriebes gehöre eine von psychologischen Hemmnissen
möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre, so das Gericht. Die Willensbildung des
Rates müsse freimütig, ungezwungen und in aller Öffentlichkeit erfolgen. Das
Recht des Ratsmitgliedes auf freie Rede aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG dürfe nicht
empfindlich berührt werden. Von daher bestehe die Besorgnis, dass insbesondere
in kleineren und ländlichen Gemeinden, weniger redegewandte Ratsmitglieder
durch das Bewusstsein des Tonmitschnitts ihre Spontanität verlieren. Die
Qualität der Berichterstattung hänge zudem nicht von einer dauerhaften
Aufzeichnung der vollständigen Ratssitzung ab.
Eine
permanente Medienpräsenz kann im Vergleich zu bloßer Saalöffentlichkeit also
auch in Sitzungen der Vertretung zu erheblichen negativen Auswirkungen führen.
Zu den vom Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 1990 geäußerten Bedenken
kommt bei Fernseh- und Videoaufnahmen noch das Bildmoment hinzu. Hierbei ist zu
beachten, dass viele Menschen ihr Verhalten in Anwesenheit von Medien
verändern. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des einzelnen
Gemeinderatsmitglieds/Gemeindevertreters ist hier noch umfassender und stärker
als bei reinen Tonaufnahmen zu bewerten. Denn die Direktübertragung von
öffentlichen Gemeinderats-/Gemeindevertretersitzungen im Internet stellt
datenschutzrechtlich eine Übermittlung personenbezogener Daten weltweit an eine
Vielzahl unbestimmter Personen dar. Betroffen sind insoweit nicht nur die
Vertretungsmitglieder und sonstige Personen wie etwa Mitarbeiter der
Samtgemeindeverwaltung, von denen Bildaufnahmen und bei Redebeiträgen in der
Sitzung auch Tonaufnahmen im Internet zu sehen sind. Betroffen sind darüber hinaus
auch Bürgerinnen und Bürger, deren Angelegenheiten in einer solchen
öffentlichen Vertretungssitzung personenbezogen behandelt werden.
Die
Verwaltung müsste hier dann im Einzelfall prüfen, was in einer solchen
öffentlichen und ggf. per Film zu übertragenden Sitzung überhaupt noch
personenbezogen berichtet werden darf. Davon abgesehen sind auch Zuhörer
betroffen, wenn sie auf den im Internet verbreiteten Aufnahmen zu erkennen sind
oder ein Rückschluss auf ihre Person möglich ist.
Das
NKomVG schließt zwar eine Aufzeichnung von Zuhörern ohne ihre Einwilligung aus
(nur die Mitglieder der Vertretung dürfen aufgezeichnet werden), es ist
allerdings fraglich, ob dies in der Realität immer gewährleistet werden kann.
Aufgrund
dieser Bedenken empfiehlt die Verwaltung auch nach Rücksprache mit Herrn Thiele
vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund (NSGB), von einer entsprechenden
Regelung in der Hauptsatzung abzusehen und damit Film- und Tonaufnahmen für
Dritte nicht zuzulassen.
Sollte
sich der Rat dennoch dafür entscheiden, empfiehlt der NSGB, die folgende
Regelung in die Hauptsatzung aufzunehmen:
§ 10
Film- und Tonaufnahmen in
öffentlichen Sitzungen des Rates
(1) In öffentlichen Sitzungen des Rates dürfen
Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Verwaltung Film- und
Tonaufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung mit dem Ziel der
Berichterstattung anfertigen. Die Anfertigung der Aufnahmen ist der
Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden vor dem Beginn der Sitzung anzuzeigen. Sie
oder er hat die Mitglieder des Rates zu Beginn der Sitzung darüber zu
informieren.
(2) Ratsfrauen und Ratsherren können
verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die Berichterstattung der
Aufnahme unterbleibt. Das Verlangen ist gegenüber der Vorsitzenden oder dem
Vorsitzenden geltend zu machen und im Protokoll zu dokumentieren. Die
Vorsitzende oder der Vorsitzende hat im Rahmen seiner Ordnungsgewalt (§ 63
NKomVG) dafür Sorge zur tragen, dass die Aufnahmen unterbleiben.
(3) Film- und Tonaufnahmen von anderen
Personen als den Mitgliedern des Rates, insbesondere von Einwohnerinnen und
Einwohnern sowie von Beschäftigten der Stadt / Gemeinde / Samtgemeinde, sind
nur zulässig, wenn diese Personen eingewilligt haben.
(4) Die Zulässigkeit von Tonaufnahmen zum
Zwecke der Erstellung des Protokolls bleibt davon unberührt.
Die Tonaufnahme für
die Anfertigung des Sitzungsprotokolls bleibt unberührt.
Sollte sich der Rat
der Gemeinde Gusborn für eine Aufnahme von o. g. Regelung in die Hauptsatzung
entscheiden und die Bild- und Tonaufnahmen somit für zulässig erklären, würde
die Verwaltung einen Entwurf einer Hauptsatzung vorbereiten und zur
Beschlussfassung vorlegen. In diesem Zusammenhang würden weitere redaktionelle
Anpassungen vorgenommen werden. Der vorliegende Antrag bezieht sich in diesem
Zusammenhang sowohl auf öffentliche als auch auf nichtöffentliche Sitzungen.
Film- und Tonaufnahmen in nichtöffentlichen Sitzungen sind jedoch grundsätzlich
nicht zulässig. Zum einen bezieht sich § 64 Abs. 2 NKomVG lediglich auf die
öffentlichen Sitzungen, zum anderen hätte die Veröffentlichung einer Ton- oder
Filmaufnahme zur einer Beratung und Beschlussfassung in nichtöffentlicher
Sitzung eine formelle Rechtswidrigkeit etwaiger Beschlüsse zur Folge.
Seitens der
Verwaltung wurde ein Entwurf einer neuen Geschäftsordnung für den Rat der
Gemeinde Gusborn erarbeitet (Anlage 2). Die Änderungsvorschläge können der
anliegenden Synopse zwischen der Geschäftsordnung des Rates der Gemeinde
Gusborn vom 19.01.2012 und dem Entwurf der Geschäftsordnung des Rates der
Gemeinde Gusborn vom 09.03.2017 (Anlage 3) entnommen werden.
Beschlussvorschlag:
Ergebnis der
Beratung.