Der Rat der Gemeinde Zernien hat in seiner
konstituierenden Sitzung für die Wahlperiode X am 01.11.2016 nicht auf die
Bildung eines Verwaltungsausschusses verzichtet (§ 104 NKomVG).
Aufgrund dieser Begebenheit ist zur
Herstellung bzw. Stärkung der Handlungsfähigkeit des Verwaltungsausschusses
eine Änderung der Hauptsatzung der Gemeinde Zernien erforderlich.
Die vorgeschlagenen Änderungen können der
anliegenden Synopse und dem Entwurf der 1. Satzung zur Änderung der
Hauptsatzung der Gemeinde Zernien entnommen werden.
Erläuterungen zu den einzelnen
Änderungsvorschlägen:
Zu 1.:
§ 58 NKomVG sieht bei bestimmten Zuständigkeiten des Rates durch die Festlegung
von Wertgrenzen eine Delegierung auf den Verwaltungsausschuss bzw. auf den
Bürgermeister vor. Diese gesetzlichen Möglichkeiten wurden in den Entwurf der
1. Satzung zur Änderung der Hauptsatzung der Gemeinde Zernien aufgenommen. Die
Wertgrenzen wurden einheitlich in den Entwurf aufgenommen. In Angelegenheiten,
welche einen Wert von 5.000,00 € übersteigen entscheidet der Rat. Der
Verwaltungsausschuss entscheidet demnach in Angelegenheiten mit einem Wert von
2.501- 5.000 €. Der Bürgermeister entscheidet in Angelegenheiten mit einem Wert
von bis zu 2.500 €. Die Aufnahme der beschriebenen Wertgrenzen ist nicht
gesetzlich vorgeschrieben. Ohne eine entsprechende Regelung in der Hauptsatzung
liegt die Zuständigkeit in allen Fällen beim Rat. Auch die vorgeschlagene Höhe
der Wertgrenzen ist nicht vorgeschrieben.
Zu 2.:
Es handelt sich um eine redaktionelle
Anpassung. Die Regelung des § 44 NGO a. F. wird durch § 63 NKomVG angepasst.
Zu. 3.:
Die jetzige Hauptsatzung enthält keine Regelungen zur Bekanntmachung von
Bürgerversammlungen. Es wird empfohlen eine entsprechende Regelung in die
Hauptsatzung aufzunehmen.
Zu 4.:
Es handelt sich um einen redaktionellen Hinweis. Zur Klarstellung sollte die
Hauptsatzung darauf hinweisen, dass Anregungen und Beschwerden vom jeweils
zuständigen Organ der Gemeinde zu bearbeiten sind.
Zu 5.:
Es handelt sich um eine redaktionelle
Anpassung. Die Regelung des § 22c NGO a. F. wird durch § 34 NKomVG ersetzt.
Bei der letzten Änderung des
NKomVG ist auch die Fassung des § 64 Abs. 2 NKomVG über die sog.
Medienöffentlichkeit von Sitzungen geändert worden. Diese Norm hat nun folgende
Fassung:
In öffentlichen Sitzungen sind Bildaufnahmen zulässig, wenn
sie die Ordnung der Sitzung nicht gefährden. Film- und Tonaufnahmen von den
Mitgliedern der Vertretung mit dem Ziel der Berichterstattung sind in
öffentlicher Sitzung nur zulässig, soweit die Hauptsatzung dies bestimmt.
Abgeordnete der Vertretung können verlangen, dass die Aufnahme ihres
Redebeitrages oder die Veröffentlichung der Aufnahme unterbleibt.
Nach dieser Norm ist es nunmehr
also möglich, Film- und Tonaufnahmen inkl. sogenannter Livestream-Aufnahmen in
öffentlichen Sitzungen zuzulassen. Nach der Begründung zum Entwurf des oben
genannten Gesetzes zur Änderung des NKomVG kann dabei differenziert geregelt
werden, für welche Zwecke und mit welcher Technik Aufnahmen und Übertragungen
erfolgen dürfen. Es wäre also auch zulässig, nur Tonaufnahmen, nicht aber Filmaufnahmen
in öffentlichen Sitzungen zuzulassen. Mit Blick auf die entsprechende Anwendung
des § 64 NKomVG auf alle öffentliche Sitzungen wäre es auch zulässig, die
Medienöffentlichkeit in den Fachausschüssen des Rates zuzulassen.
Das Persönlichkeitsrecht einer
jeden Abgeordneten / eines jeden Abgeordneten bleibt unberührt, weil diese
verlangen können, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages zu unterbleiben hat.
Der Gesetzgeber hat aber
gefordert, die Zulässigkeit (vermutlich aufgrund der Tragweite) in der Hauptsatzung zu regeln.
Vorher waren entsprechende
Regelungen in der Geschäftsordnung möglich. Hiervon wurde in der Vergangenheit
im Bereich der Samtgemeinde Elbtalaue oftmals Gebrauch gemacht, indem
Aufzeichnungen auf Tonträgern durch Dritte grundsätzlich für unzulässig erklärt
wurden. Sie konnten lediglich auf Beschluss des Rates zugelassen werden.
Diese restriktive Regelung der
Vergangenheit hatte allerdings auch ihren Grund.
So ging bereits das BVerwG in
seinem Urteil v. 3.8.1990 in einem diesbezüglichen Fall von einer
Funktionsstörung des Rates aus. Zu den notwendigen Voraussetzungen eines
geordneten Sitzungsbetriebes gehöre eine von psychologischen Hemmnissen
möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre, so das Gericht. Die Willensbildung des
Rates müsse freimütig, ungezwungen und in aller Öffentlichkeit erfolgen. Das
Recht des Ratsmitgliedes auf freie Rede aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG dürfe nicht
empfindlich berührt werden. Von daher bestehe die Besorgnis, dass insbesondere
in kleineren und ländlichen Gemeinden, weniger redegewandte Ratsmitglieder
durch das Bewusstsein des Tonmitschnitts ihre Spontanität verlieren. Die
Qualität der Berichterstattung hänge zudem nicht von einer dauerhaften
Aufzeichnung der vollständigen Ratssitzung ab.
Eine permanente Medienpräsenz
kann im Vergleich zu bloßer Saalöffentlichkeit also auch in Sitzungen der
Vertretung zu erheblichen negativen Auswirkungen führen. Zu den vom
Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 1990 geäußerten Bedenken kommt bei
Fernseh- und Videoaufnahmen noch das Bildmoment hinzu. Hierbei ist zu beachten,
dass viele Menschen ihr Verhalten in Anwesenheit von Medien verändern. Der
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des einzelnen
Gemeinderatsmitglieds/Gemeindevertreters ist hier noch umfassender und stärker
als bei reinen Tonaufnahmen zu bewerten. Denn die Direktübertragung von
öffentlichen Gemeinderats-/Gemeindevertretersitzungen im Internet stellt
datenschutzrechtlich eine Übermittlung personenbezogener Daten weltweit an eine
Vielzahl unbestimmter Personen dar. Betroffen sind insoweit nicht nur die
Vertretungsmitglieder und sonstige Personen wie etwa Mitarbeiter der
Samtgemeindeverwaltung, von denen Bildaufnahmen und bei Redebeiträgen in der
Sitzung auch Tonaufnahmen im Internet zu sehen sind. Betroffen sind darüber
hinaus auch Bürgerinnen und Bürger, deren Angelegenheiten in einer solchen
öffentlichen Vertretungssitzung personenbezogen behandelt werden.
Die Verwaltung müsste hier dann
im Einzelfall prüfen, was in einer solchen öffentlichen und ggf. per Film zu
übertragenden Sitzung überhaupt noch personenbezogen berichtet werden darf.
Davon abgesehen sind auch Zuhörer betroffen, wenn sie auf den im Internet
verbreiteten Aufnahmen zu erkennen sind oder ein Rückschluss auf ihre Person
möglich ist.
Das NKomVG schließt zwar eine
Aufzeichnung von Zuhörern ohne ihre Einwilligung aus (nur die Mitglieder der
Vertretung dürfen aufgezeichnet werden), es ist allerdings fraglich, ob dies in
der Realität immer gewährleistet werden kann.
Aufgrund dieser Bedenken empfiehlt
die Verwaltung auch nach Rücksprache mit Herrn Thiele vom Niedersächsischen
Städte- und Gemeindebund (NSGB), von einer entsprechenden Regelung in der
Hauptsatzung abzusehen und damit Film- und Tonaufnahmen für Dritte nicht
zuzulassen.
Sollte sich die Vertretung
dennoch dafür entscheiden, empfiehlt der NSGB, die folgende Regelung in die
Hauptsatzung aufzunehmen:
§ 10
Film- und Tonaufnahmen in öffentlichen
Sitzungen des Rates
(1)
In
öffentlichen Sitzungen des Rates dürfen Vertreterinnen und Vertreter der Medien
sowie die Verwaltung Film- und Tonaufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung
mit dem Ziel der Berichterstattung anfertigen. Die Anfertigung der Aufnahmen
ist der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden vor dem Beginn der Sitzung
anzuzeigen. Sie oder er hat die Mitglieder des Rates zu Beginn der Sitzung
darüber zu informieren.
(2)
Ratsfrauen
und Ratsherren können verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die
Berichterstattung der Aufnahme unterbleibt. Das Verlangen ist gegenüber der
Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden geltend zu machen und im Protokoll zu
dokumentieren. Die Vorsitzende oder der Vorsitzende hat im Rahmen seiner
Ordnungsgewalt (§ 63 NKomVG) dafür Sorge zur tragen, dass die Aufnahmen
unterbleiben.
(3)
Film-
und Tonaufnahmen von anderen Personen als den Mitgliedern des Rates,
insbesondere von Einwohnerinnen und Einwohnern sowie von Beschäftigten der
Stadt / Gemeinde / Samtgemeinde, sind nur zulässig, wenn diese Personen
eingewilligt haben.
(4)
Die
Zulässigkeit von Tonaufnahmen zum Zwecke der Erstellung des Protokolls bleibt
davon unberührt.
Die Tonaufnahme für die Anfertigung des
Sitzungsprotokolls bleibt unberührt.
Beschlussvorschlag:
Die 1. Satzung zur
Änderung der Hauptsatzung der Gemeinde Zernien wird beschlossen.